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Fächer

Etwa in der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde der Wedel- und Scheibenfächer durch den Faltfächer verdrängt. Der Siegeszug des Faltfächers begann. Die wachsende Nachfrage nach Fächern und Zunahme der Werkstätten führten zur Gründung der Handwerkszunft der Fächermeister. Um 1770 zählte man allein in Paris einhundertfünfzig Fächerwerkstätten mit etwa sechstausend Arbeitern.

Fächer dienten als offizielle Geschenke, die von Herrschern oder geistlichen Würdenträgern an wichtige Persönlichkeiten übersandt wurden. Fächer genossen am Hofe hohe Wertschätzung. Genau wie andere kostbare Gegenstände gab man sie als Erbstück an Verwandte weiter. Archivunterlagen bezeugen, dass der Fächer in Hofkreisen nicht nur bei den Damen, sondern auch bei den Herren beliebt war.

Der Fächer ist ein ausgesprochenes Meisterwerk der angewandten Kunst jener Zeit. Ornamentale und figürliche Motive sind harmonisch und ausdrucksstark miteinander verbunden. Die besonderen Merkmale der barocken Kunst kommen deutlich zur Wirkung: Dekorfülle und Pracht der Komposition.

„Der Fächer war ein so unverzichtbarer Gegenstand, dass eine Dame sich ohne Fächer so unsicher gefühlt hätte wie ein Kavalier ohne Degen.“

Im Verlauf des Rokoko passt sich der Fächer nach und nach dem Stilwandel an und wird kleiner und handlicher. Er verliert die ursprüngliche Funktion als Gebrauchsgegenstand und wird schließlich ein Instrument weiblicher Koketterie in ihrer vollendetsten Form. Die Handhabung setzte viel Geschick, Wissen und Ideenreichtum voraus. Um ihre Verehrer auf die Probe zu stellen, ließ eine Schöne den Fächer fallen und beobachtete aufmerksam deren Reaktion. Wer als Erster den Fächer aufhob und damit seine Höflichkeit unter Beweis stellte, errang als „Sieger“ die erhoffte Belohnung. Der Fächer übermittelte oft Nachrichten, ein „zufällig vergessener“ Fächer enthielt Liebesbotschaften, die dem Bewunderten auf diese Weise zugespielt wurden.

Weiterhin häufig diente der Fächer als eine Art „Bibliothek“ für Lieder, Notenblätter, Aphorismen oder Liebesgedichte. Die auf der Fächerrückseite geschriebenen oder befestigten Werke unterhielten bei einem Empfang oder einer Abendveranstaltung und ermöglichten der Besitzerin, geistreich und gebildet zu wirken.

„Der Fächer der Schönen ist das Zepter, das die Welt regiert.“

Aus dem bei der Fächerbenutzung entfalteten Raffinement entwickelte sich eine besondere Sprache, die so genannte „Kunst der Fächerbewegung“ als Ausdruck von Launen, Absichten, Gefühlen und Meinungen. Hierfür einige Beispiele:

  • Hinter dem Fächer gähnen…. Gehen Sie weg. Sie langweilen mich.
  • Den Fächer zur rechten Schulter hochheben…. Ich hasse Sie.
  • Den geschlossenen Fächer abwärts richten…. Ich verachte Sie.
  • Den Fächer mit der rechten hochheben…. Sind Sie mir treu?

Auszug aus dem Buch: Fächer

Verlag/Jahr: PARKSTONE INTERNATIONAL / KROEMER; SIRROCCO 2008

Autor: A. F. Tcherviakov

Redaktion der deutschen Veröffentlichung: K. H. Carl

ISBN: 978-1-84484-549-1

Wir empfehlen dieses handlich kleine kompakte Werk für alle Interessierten. Abblichtungen originaler Fächer aus den unterschiedlichsten Epochen samt kurzweiliger Erklärungen ermöglichen dem Leser einen Einblick in die Fächerkunst.

Mme Cardui